Auch das dritte Wochenende des noch jungen
Jahres sollte nicht in heimischen Gefilden verbracht werden.
Stattdessen ging es für Alex und mich am Samstagvormittag nach
London. Einer der Hauptgründe für den Trip sollte ein
Musicalbesuch (nicht „Harry Potter“) am Abend des Anreisetages
sein. Da sich der Samstag jedoch mit ordentlich Regen
ankündigte, bot es sich an, den Nachmittag im Stadion zu
verbringen. Ich hatte bereits ein Auge auf die Partie von
Charlton Athletic geworfen. Die Anstoßzeit und die Lage des
Grounds kollidierten jedoch mit den abendlichen Planungen,
sodass mein Blick eine Liga tiefer wanderte. Mittlerweile war
ich im Spielplan der viertklassigen League Two angelangt und
hatte Leyton Orient im Visier. In Ost-London unweit des
Olympiageländes gelegen war der Ground besser angeschlossen und
der Zeitdruck nach Abpfiff nicht so hoch. Somit sicherte ich uns
umgehend zwei der raren Tickets für die Partie gegen Barrow AFC.
Zumindest im Heimbereich sollte der Gastgeber und Spitzenreiter
ein nahezu ausverkauftes Haus vermelden können.
Vor der Kür wartete jedoch zuerst die
Pflicht. Diese kam in Form des üblichen Wetherspoon-Besuchs zur
Mittagszeit daher. Wir bezogen unser Quartier in Whitechapel und
stärkten uns entsprechend in der örtlichen Niederlassung der
einzig wahren britischen Pub-Kette. Im Anschluss schafften wir
es überraschenderweise trocken nach Leyton, wo sich das Stadion
Brisbane Road der „O‘s“ fast schon homogen in die Wohnbebauung
einfügt. Lediglich die beiden Längsseiten des Grounds sind auch
von außen als Stadion zu erkennen. An vielen Stellen wechseln
sich die Eingänge zu den angrenzenden Wohnungen mit den
Stadiontoren wie selbstverständlich ab. Bereits vorab auf Fotos
machte der ca. 10.000 Zuschauer fassende Ground Lust auf mehr.
Selbstverständlich hatten wir unsere Sitzplätze auf der
vergleichsweise neuen und großen Westtribüne. Von hier hat man
schließlich den besten Blick auf das gegenüberliegende
Prunkstück der Anlage, den altehrwürdigen East Stand. Dieser
kommt mit einem markanten Satteldach inklusive Gaube mit
Vereinsnamen daher und ist einfach ein tolles Stück Old
School-Fußball. Auch das restliche Drumherum passte. So schaffte
ich es auf ein Foto mit beiden Maskottchen und konnte ein
Pre-Game-Bud im denkbar kuscheligen Bauch unter unserer Tribüne
genießen.
Logischerweise war das hier ein anderer
Fußball, ein anderes Stadionerlebnis als in der Premier League.
So sind die Namen der 24 Klubs in der League Two höchstens
Kennern ein Begriff. Mit den heutigen Gästen konnte selbst ich
im Vorfeld wenig anfangen. Der Verein aus einer
50.000-Einwohner-Stadt im äußersten Nordwesten Englands kickte
in den letzten Jahrzehnten konstant eine Liga tiefer in der
National League, ehe man im ersten Corona-Sommer in die League
Two aufsteigen konnte. Entsprechend spärlich war der ausladende
Gästesektor gefüllt. In diesem Jahr ist man endgültig in der
Liga angekommen und spielt oben mit. Die zahlenden Zuschauer und
die Kibitze auf den ins Stadion ragenden Balkonen der
angrenzenden Wohnungen bekamen ein erwartet umkämpftes Spiel zu
sehen. Mit bisher nur 13 Gegentoren resultiert Leytons
Spitzenposition insbesondere aus einer verdammt starken
Defensive. Diese hielt auch heute und sorgte gepaart mit der
eigenen Harmlosigkeit vor dem Kasten für ein torloses
Unentschieden. So war ein Fuchs, der im verregneten zweiten
Durchgang das Spielfeld enterte und quer über den Platz
sprintete, das unerwartete und ungewöhnliche Highlight der
Partie.
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