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Der Saisonabschluss brachte gestern viele
Nachrichten mit sich. In Wiesbaden stürmten die Fans des
vermeintlichen Aufsteigers zu früh den Rasen und fanden sich
nach zwei späten Toren des VfL Osnabrück doch noch in der
Relegation wieder. Mit Schalke stieg der zweitgrößte Fußballclub
Deutschlands direkt wieder aus der Bundesliga ab. Für viele
überraschend verbuchte stattdessen der kleine VfL Bochum nach
einem Sieg gegen Bayer Leverkusen den Klassenerhalt. Die
schönste Meldung des Tages kam indes aus dem östlichen
Ruhrgebiet, wo es die örtliche Aktiengesellschaft noch schaffte,
den sicher geglaubten Meistertitel zu verspielen. Wer wird
Deutscher Meister? BVB Borussia! Immerhin machte das Zeckenvolk
den eigenen Abstieg mit seiner Unfähigkeit etwas erträglicher.
Ich verbrachte die „Abstiegsnacht“ in einem Hotel nahe Leipzig,
da ich hier noch einen der wenigen verbleibenden deutschen
Ground-Klassiker haken wollte. Zuvor fuhr ich jedoch mit der der
S-Bahn zurück in die Innenstadt. Ab hier sollte es für mich gute
sechs Kilometer zu Fuß Richtung Westen gehen. Ich hatte viel
Zeit um bei bestem Wetter am Zoo vorbei und durch den Auenwald
zu streifen. Eine wirklich tolle Route, die am späten Vormittag
im Stadtteil Leutzsch endete.
Hier hat die 1997 neu gegründete BSG Chemie
Leipzig ihr zu Hause. Ihr gleichnamiger Vorgängerverein konnte
1964 unter Trainer Alfred Kunze überraschend die
DDR-Meisterschaft erringen. Kunze selbst ist seit Anfang der
90er-Jahre Namensgeber der Sportanlage. Rund um diese begrüßte
mich ein stattliches Aufgebot der Staatsmacht. Die anstehende
Partie hatte sportlich zwar keine Relevanz mehr und doch schien
der heutige Gast und frisch gekürte Meister der Regionalliga
Nord, Energie Cottbus, die Polizei entsprechend alarmiert zu
haben. So kreisten über mir ein Hubschrauber und eine Drohne.
Nach dem geglückten Einlass hatte ich die Umstände vorerst
wieder vergessen. Nun sympathisiere ich sicherlich nicht mit
Chemie, aber die Hütte ist eine Wucht. Alles schön alt,
heruntergekommen und absolut urig. Lediglich die neu
installierten Flutlichtmasten zeugen bereits heute von den
anstehenden Modernisierungsvorhaben im Sportpark. Trotz des
großartigen Charmes des Grounds wäre heute jedoch etwas Schatten
nicht verkehrt gewesen. So drängten sich viele der Fans im
aufgrund von Behördenauflagen mit 4.999 Zuschauern ausverkauften
Stadion in den wenigen schattigen Bereichen.
Kurz vor dem geplanten Anpfiff um 13 Uhr
gerieten Sonne und Sport dann in den Hintergrund. So haben die
Cops einen Großteil der Energie-Anhänger entgegen der üblichen
Handhabe durch den Heimbereich in den maroden Gästeblock
geleitet. Auf die entsprechende Aufregung dieser Aktion folgte
ein weiterer Knaller. Aus fadenscheinigen und ersichtlich
konstruierten Gründen konfiszierte die Polizei eine Blockfahne
der geplanten Leutzscher Choreo. Die BSG-Fans hingen in der
Folge alle Fahnen ab und verzichteten auf den Support. Nach dem
Einlaufen der Teams solidarisierte sich die Leipziger Elf mit
den eigenen Fans und verbrachte gute zehn Minuten in der Kurve
beim Anhang. Ohne das übliche Polizei-Bashing zu bedienen, muss
man sich schon fragen, was in den Köpfen mancher Einsatzleiter
vor sich geht. Mein Albtraum hier ohne Spiel wieder abzureisen
wurde zum Glück nicht wahr und mit zwanzig Minuten Verzögerung
begann die Partie, die schiedlich-friedlich 0:0 endete. Leider
killte die Aktion der Cops das stimmungsvolle Duell und brachte
mich, aufgrund meiner anstehenden Rückfahrt mit der Bahn, um die
letzten zehn Minuten des Spiels.
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