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„Stade de Reims“ hieß das Ziel am ersten
Juni-Wochenende. Ein Ziel, das ich schon lange im Blick hatte
und aufgrund der nicht zu verachtenden Entfernung erst jetzt,
zum Saisonabschluss, angehen wollte. Die französische Ligue 1
mit ihren 20 Teams und 38 Spieltagen kickte noch eine Woche
länger als die Bundesliga und in der Hauptstadt der Champagne
gastierte am Samstagabend Montpellier HSC. Alex und ich brachen
bereits am Morgen Richtung Südwesten auf und durchquerten auf
unserer Route mit den Niederlanden und Belgien zwei weitere
Nachbarländer. Ein großer Teil der Strecke war mir unbekannt,
sodass die Fahrt an sich schon einen gewissen Erlebnisfaktor
bot. Nach etlichen neu gebauten Autobahnkilometern durch den
nahezu unbesiedelten Nordosten Frankreichs freuten wir uns dann
trotzdem über unsere Ankunft in Reims. Unser Quartier lag recht
zentral und mit dieser guten Ausgangsposition erkundeten wir in
der Nachmittagssonne die schmucke Innenstadt. Deren Highlight,
die Kathedrale, war an diesem Wochenende in das bunte Treiben
eines Mittelalterfestes involviert. Außerhalb des ritterlichen
Trubels genossen wir vor allem die ruhigeren Straßenzüge und
schlossen unsere Erkundungstour in einem etwas versteckten Lokal
mit gutem Bier und einer leckeren Aufschnittplatte ab.
Der besagte 38. und zugleich letzte
Spieltag der französischen Eliteliga sollte mit zehn
zeitgleichen Partien um neun Uhr abends starten. Wirkte diese
doch sehr späte Anstoßzeit anfangs befremdlich, lehrte uns der
pralle Sonnenschein den wohlmöglichen Grund. Insbesondere im
Süden des Landes sind frühere Anstoßzeiten zu dieser Jahreszeit
wohl kaum zumutbar. Das Stade Auguste-Delaune befindet sich in
unmittelbarer Nähe zum Stadtkern, sodass wir die Spielstätte
bereits bei unserer Anfahrt und dem späteren Stadtbummel von
außen beobachten konnten. Die städtische Anlage wurde mit gut
20.000 Sitzplätzen von 2004-2008 um- bzw. neugebaut und besticht
vor allem durch die ungewöhnlichen Flutlichtmasten. Diese
erstrecken sich spitz zulaufend schräg in den Himmel und
verleihen dem sonst recht trostlosen Bau
eine ordentliche Prise
Individualität. Ehrlicherweise war mir die erfolgreiche
Geschichte von Stade de Reims vor unserem Besuch nicht wirklich
bekannt. So stolperte ich etwas erschrocken über den ellenlangen
deutschen Wikipedia-Artikel. Immerhin konnte der Club in seiner
Blütezeit rund um die 1950er-Jahre sechs Meisterschaften
verbuchen. Diesen sportlichen Glanz sucht man in Reims derzeit
vergeblich. Schlagzeilen produzierte indes die Cinderella-Story
von Coach Will Still, der nach eigener Aussage durch das Spielen
diverser Fußball-Manager-Spiele zum Coaching kam und sich in
England entsprechend ausbilden ließ.
Nun trainiert er einen Traditionsklub in
einer der stärksten Ligen Europas. Sowohl Stade Reims als auch
Gegner Montpellier können ihre Mittelfeldplatzierungen dabei zum
Saisonabschluss nur noch in Nuancen verändern.
So war die Stimmung
entsprechend losgelöst und wir erfreuten uns vor allem an den
ca. 50 Gästefans, die rechts über uns größtenteils
oberkörperfrei thronten. Die Jungs aus dem Süden mussten jedoch
zunächst sehen, wie Reims Top-Goalgetter Balogun nach einer Ecke
zum 1:0 einschob (28.). Der 21-Jährige US-Amerikaner wird ebenso
wie sein Pendant bei Montpellier, Elye Wahi (20, Frankreich),
bei deutschen Spitzenklubs gehandelt. Während Balogun mit seinem
21. Saisontor den einzigen Treffer des ersten Durchgangs
beisteuerte, drehte der Gast um Wahi erst nach der Pause auf.
Mit einem Doppelschlag in der 54. und 59. Minute drehte der
Überraschungsmeister von 2012 die Partie. Zuerst war es Wahi per
Kopf, ehe Nordin einen völlig verunglückten Klärungsversuch
eiskalt nutzte. Die Moral bei den Hausherren war nun gebrochen
und Wahi konnte mit dem abschließenden 1:3 (76.) und seinem 19.
Treffer in dieser Spielzeit seine individuelle Klasse zeigen und
einen Sololauf erfolgreich abschließen. Wer auch immer eines der
beiden Talente ergattert, kann sich glücklich schätzen. Der
Gästeanhang feierte den 800-Kilometer-Luftlinie-Auswärtssieg
gebührend mit einer kleinen Pyro-Show. Schön war‘s!
Fotos Sightseeing
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