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Mein Arbeitsleben hält, anders als noch vor
ein paar Jahren, nicht mehr allzu viele überregionale
Dienstreisen für mich bereit. Ab und zu kommt es dann jedoch
doch vor, dass mich mein Dienstherr auch über die Grenzen von
NRW hinaus entsendet. In diesem Sommer bot sich die Möglichkeit
für eine Stippvisite in Reutlingen, die ich glücklicherweise auf
einen Freitag legen konnte. So wurde natürlich die Spielpläne
des entsprechenden Wochenendes gründlich studiert. Recht schnell
stand eine wenig spektakuläre Route, die jedoch stolze vier
Spiele vom Freitagabend bis zum Sonntagnachmittag umfasste,
fest. So ließ sich auch das Verpassen der Schalker Pokalpartie
in Braunschweig durchaus verkraften. Nachdem der Termin in
Reutlingen am Freitagnachmittag abgehakt war, ging es für mich
noch weiter Richtung Süden. Vor der Überfahrt in die Schweiz
wurde sich noch mal günstig der Magen vollgehauen und wenig
später überquerte ich in Konstanz die Grenze. Das erste Ziel
meiner Tour war die Kleinstadt Wil. Diese liegt ungefähr auf
halber Strecke zwischen Zürich und St. Gallen, eignet sich
natürlich wunderbar für Wortspiele und provoziert zudem die
automatische Rechtschreibprüfung diverser Office-Programme.
Mit ca. 20.000 Einwohner ist Wil sicherlich
kein touristischer Hotspot und trotzdem ganz nett anzusehen.
Nach meiner abendlichen Ankunft reichten wenige Minuten aus, um
mir die auf einem Hügel gelegene Altstadt anzusehen. Den besten
Blick und das beste Motiv fürs Fotoalbum erwischt man jedoch am
Stadtweiher, in dessen Hintergrund sich der besagte Hügel samt
schicker Bebauung auftut. Den Sportpark Bergholz erreicht man
ebenfalls fußläufig. Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren
trägt der FC Wil hier seine Heimspiele aus. Neben dem Stadion
befinden sich eine Eishalle, ein Hallenbad und ein Freibad auf
dem weitläufigen Gelände. Am Ground angekommen suchte ich
umgehend nach einem Motiv für ein schönes Foto von draußen. Es
zeigte sich jedoch recht schnell, dass man beim Bau mehr Wert
auf die Zweckmäßigkeit, als auf das Auge gelegt hatte. Auch
drinnen bestätigte sich dieser Eindruck. Ein Kunstrasenplatz mit
Flutlicht, komplett umrundet von Tribünen, die auf den
Längsseiten überdacht sind. Nicht mehr und nicht weniger und
wohl genug für den Zweitligisten, der bis auf einen zweijährigen
Ausflug in die Super League (2002-2004) und die fast
verhängnisvolle Übernahme durch türkische Investoren (2015-2017)
recht wenig Wow-Potential zu bieten hat. Mittlerweile schippert
man in ruhigen Fahrwassern und steht nach zwei Spieltagen
gemeinsam mit dem heutigen Gegner und Absteiger FC Sion
verlustpunktfrei an der Tabellenspitze.
Nun sorgte auch dieses Topspiel nicht
dafür, dass sich das gemütliche Städtchen merkbar im
Ausnahmezustand befand. Das Stadion füllte sich gesittet und
allmählich und die 6.000 verfügbaren Plätze konnten
schlussendlich gut zur Hälfte gefüllt werden. Schon vor dem
Anpfiff zauberte mir ein organisatorisches Detail ein Lächeln
ins Gesicht. Pünktlicher als ein Schweizer Uhrwerk liefen beide
Teams ein und mussten schlussendlich drei Minuten in bezogener
Aufstellung warten, ehe der Referee die Partie um 20:15 Uhr
anpfiff. Den Ultras aus Sitten gelang indes keine Punktlandung,
sodass der stattliche Haufen erst mit einigen Minuten Verspätung
eintraf. Ernsthafte Konkurrenz auf Seiten der Hausherren hatten
die erstligaerprobten Gäste auf den Rängen nicht. Das Spiel
selbst war denkbar unspektakulär und chancenarm. Wenn überhaupt
schafften es wohl einige Fernschüsse der Heimelf in den
Zusammenschnitt der Highlights. Den Mut und die Dynamik aus dem
eigenen Leitbild brachte der FC Wil erst in den Schlussminuten
auf den Platz. Gegen Ende trauten sich beide Teams mehr, leider
weiterhin ohne echte Gefahr. Immerhin hatten die trotzdem munter
singenden und springenden Fans aus dem Wallis einige Fackeln
mitgebracht, die man unabhängig vom trägen Spielgeschehen direkt
nach der Pause und in der Mitte des zweiten Durchgangs
präsentierte. Ich startete also torlos, aber nicht völlig
freudlos in meinen Trip, der mich am Folgetag über die nächste
Grenze, nach Österreich, führen sollte.
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