|
Duisburg ist die Heimatstadt meiner Frau
und seit sechs Jahren unser gemeinsamer Wohnort. Dort zogen wir
zuerst nach Meiderich, der ursprünglichen Heimat des MSV. Im
Herzen des Stadtteils kickte ich eine Saison für den DJK Lösort,
bei dem einige spätere MSV-Legenden erstmals gegen den Ball
traten. Kurz und knapp, lebt man in der Stadt an Rhein und Ruhr,
kommt man an den Zebras nicht vorbei. Sicherlich müsste ich als
Schalker den Lokalrivalen ablehnen oder gar verabscheuen.
Andererseits trafen und treffen beide Teams in jüngster
Vergangenheit selten aufeinander, sodass ich eine überspitzte
Rivalität für mich nie in Betracht zog. Der Spielverein ist für
mich viel mehr ein Traditionsclub, der in meiner Utopie
mindestens eine Liga weiter oben spielen müsste. Heutzutage ist
vom rauen Glanz der vergangenen Tage wenig geblieben. Verblasst
sind die Erinnerungen an Kicker wie Bachirou Salou oder Tomasz
Hajto, die mit GÖTZEN-Schriftzug auf der Brust um Punkte in der
Bundesliga kämpften. Heute sieht die Realität anders aus. Die
Entwicklung der letzten Jahre zeigt konsequent nach unten und
wird wahrscheinlich ein so neues wie trauriges Kapitel in der
Regionalliga erhalten.
Am Freitag zwischen dem Tag der Arbeit und
dem ersten Wochenende im Mai, sollten die Duisburger den
Drittliga-Spieltag beim bereits abgestiegen VfB Lübeck eröffnen.
Alex und ich hatten an den beiden Brückentagen Urlaub und ein
Trip nach Lübeck stand sowieso seit langem auf der To-Do-Liste.
Bisher hatte ich weder die Stadt noch den dort beheimateten
Traditions-Verein besucht. Vor allem Letzteres nagte schon lange
an mir. Die Umstände passten also, sodass wir zwei schöne Tage
in der Stadt an der Trave verlebten. Den Spieltag verbrachten
wir mit einer ausgiebigen Erkundung der Lübecker Innenstadt, die
mit ihren sieben Türmen, zwei Stadttoren und unzähligen Gängen
und Höfen der Altstadt äußerst sehenswert ist. Immer wieder
trafen wir beim Bummeln auf MSV-Fans, die in einem Mix aus
Abgesang und leiser Hoffnung die Biergärten bevölkerten. Am
Abend machten wir uns dann zu Fuß auf den Weg zum Stadion an der
Lohmühle. Ein Ground, der bis auf die moderne Tribüne im Norden
wie ein Relikt aus vergangenen Tagen daherkam. In freudiger
Erwartung passierten wir die laxen Einlasskontrollen und
steuerten zielstrebig auf den ersten Verpflegungsstand zu. Hier
trübten der tropfende, da hochmodern von unten befüllte
Bierbecher sowie der wässrig aus den Spendern laufende Senf
jedoch meine Stimmung.
Was das Catering verbockte, musste also das
Spiel wieder reinholen. Hier wurde uns einiges geboten. In der
Anfangsphase der zweiten Halbzeit erspielten sich die Zebras
eine 3:1-Führung und verwandelten Wut und Galgenhumor der
eigenen Fans in zaghaftes Hoffen. Was dann kam war tragisch. Der
MSV verspielte tatsächlich die komfortable Führung und geriet in
der 77. Minute sogar ins Hintertreffen. Immer häufiger wanderte
unser Blick nun zum Gästeblock. Dort beflaggte der Duisburger
Anhang schnurstracks den Zaun mit einer großflächigen Botschaft
ans eigene Team: „Ihr seid ‘ne Schande für Duisburg“. Eine klare
Ansage an die teils etablierte Truppe, die den Traditionsverein
hier gerade aus dem professionellen Fußball beförderte. Es
folgte ein weiterer Gegentreffer und mit dem Abpfiff war der
Duisburger Abstieg besiegelt. Der darauffolgende wenig
bedrohliche Platzsturm einiger Fans wurde von einer Kette aus
Polizeibeamten recht schnell zurückgedrängt. Der zeitgleich
einsetzende Regenschauer vollendete das Drehbuch des Duisburger
Scheiterns.
|
|