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Was habe ich als Kind die großen Turniere
geliebt. Insbesondere die Weltmeisterschaft 1998 blieb mir –
unabhängig vom miesen Abschneiden der deutschen Mannschaft – in
guter Erinnerung. Ein weiteres Highlight waren natürlich die
Panini- und Ferrero-Sammelsticker. Seitdem hat sich viel
verändert. Mittlerweile bin ich zum Turnier-Grinch geworden. Die
Gründe dafür sind vielfältig und zumindest für mich auch mit
einer dem Alter entsprechenden kritischen Haltung nahezu
alternativlos. Dabei geht es mir weniger um das Fußballfest mit
Teams verschiedener Nationen, als um den DFB, das Produkt
Nationalmannschaft und den damit verbundenen Party-Patriotismus.
Will ich das Aushängeschild eines bis ins Mark korrupten
Verbandes unterstützen, den ich von August bis Mai regelmäßig
mit Verunglimpfungen übersähe? Nein! Möchte ich Spieler wie
Manuel Neuer, Joshua Kimmich oder Nico Schlotterbeck anfeuern.
Auf keinen Fall! Möchte ich die schwarz-rot-goldenen Fahnen mit
Menschen wehen, mit denen mich nicht mehr und nicht weniger als
die Gnade der Geburt vereint (und von denen jeder sechste
bewusst rechtsradikal wählt)? Sicher nicht. Ich halte es selten
mit den Fans des FC St. Pauli und doch ist ihre Botschaft
„Vereinsliebe statt Vaterlandsliebe“ treffend.
Nun ist jeder bis zu einem gewissen Punkt
sein eigener Herr. Gewiss lebe ich auch an der ein oder anderen
Stelle eine gewisse Doppelmoral aus. In Bezug auf „die
Mannschaft“ fällt es mir leicht, sich der inszenierten
Partystimmung aus Hupkonzerten und künstlich aufgesetzten
Jubel-Schreien in den eigenen vier Wänden zu entziehen. Einige
Auswahlmannschaften außerhalb des clever vermarkteten DFB-Kosmos
haben indes sicherlich ihren Reiz. Da meine Ticket-Lose für die
Spiele in NRW als Nieten zu mir zurückkamen, machte ich mir
jedoch erst gar nicht die Mühe, mehrere Stunden am Tag vor der
Mattscheibe mit Fußball zu vergurken und irgendeine Form der
Begeisterung aufkommen zu lassen. Das änderte sich ein wenig,
als mich Andre am Mittwoch auf die bezahlbaren Tickets für die
Partie zwischen der Slowakei und der Ukraine hinwies. Zwei
Mannschaften ohne die ganz großen Stars, die sich zudem am
frühen Freitagnachmittag im nur bedingt fußballbegeisterten
Düsseldorf messen sollten. So machten wir flott kurzen Prozess
und wurden doch noch zu einem Teil des vermeintlichen
„Sommermärchens“. Und ja, ich verspürte so etwas wie Vorfreude
und startete mit Spannung in den Spieltag, der für mich nicht
sonderlich spektakulär im Büro begann.
Um Punkt zwölf Uhr klappte ich den Laptop
zu und machte mich entspannt zu Fuß auf dem Weg aus der
Düsseldorfer Innenstadt in die Arena. Es war beeindruckend, was
rund um die Spielstätte an Sicherheitsvorkehrungen aufgefahren
wurde. Ein normales Ligaspiel war dagegen ein flacher Witz.
Grund zum Meckern gab es in Sachen Organisation nicht. Der
Einlass war entspannt und auch das Catering flutschte bei meiner
Ankunft im Stadion reibungslos. Als Andre kurz nach mir die
Ränge des Oberrangs der Südkurve erklomm, hatte ich bereits die
erste Dosis 7-Euro-Bitburger geleert. Meine Mission war es
schließlich, alle drei Sammelbecher zu ergattern. Nach der
lobend zu erwähnenden, da recht dezenten Auftaktzeremonie bot
sich uns ein solides Fußballspiel. Die erste Hälfte gehörte
dabei eindeutig den stark aufspielenden und früh mit 1:0
führenden Slowaken. Da wir vornehmlich von ukrainischen Fans und
anderen Low-Budget-Besuchern umgeben waren, brauchte es die
zweite Hälfte, um ein wenig Stimmung in die Hütte zu bekommen.
So kam es ganz gelegen, dass die Ukraine zuerst ausglich und
später technisch brillant den Siegtreffer zum 2:1-Endstand
erzielte. Nachdem ich die Tore eins und zwei stilecht während
des Toilettengangs verpasste, wohnte ich zumindest der
Entscheidung bei. Das wars für mich und die EM. Man hat’s
gesehen und für okay befunden. Haken dran.
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