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Ich ging mit einer gesunden Portion
Galgenhumor in das anstehende Duell zwischen der U21 des SC Verl
und der Reserve des SC Preußen Münster. Immerhin hatte ich mir
da eine Begegnung in den Kalender geschrieben, die auf den
ersten Blick nicht unattraktiver hätte klingen können. In der
neuen Saison spielt die zweite Mannschaft des SC Verl also
füntklassig. Die Nachwuchstruppe eines Vereins, dessen Profis in
der dritten Liga wie ein ungewollter Fremdkörper daherkommen.
Aber was will man machen? Oberligist ist Oberligist und eine
angestrebte Komplettierung der Westfalen-Staffel beinhaltet auch
einen Besuch auf dem Nebenplatz der Verler Sportclub Arena. So
schrubbte ich an diesem sommerlichen Sonntag die gut 150
Kilometer nach Ostwestfalen weg, parkte im Schatten des seit
meinem letzten Besuch umfassend renovierten Drittliga-Stadions
und nahm anschließend den schattigen Pfad zum Kunstrasenplatz
hinter der Osttribüne. Es war auch die besagte Tribüne, die den
Nebenplatz auf einer Längsseite begrenzte und wenigstens dort
den heuer fast schon überlebenswichtigen Schatten spendete. Nach
einigen Fotos und dem anschließenden leicht despektierlichen
Instagram-Post („Endlich startet auch die zweite Mannschaft des
SC Verl in die neue Spielzeit.“), ging es für die beiden
Reserve-Truppen zur Sache.
Die Begegnung, die auf den ersten Blick
maximal trist daherkommt, versprach zumindest sportlich einiges
an Action. Die ältesten Nachwuchsteams der Profi-Clubs sind oft
Wundertüten. Erfahrungsgemäß spielen die U-Mannschaften einen
guten Ball und agieren gerne mit offenem Visier. Trotz einiger
verletzungsbedingter Ausfälle sollte die etablierte
Preußen-Reserve als Favorit in die Begegnung mit dem Aufsteiger
gehen. Diese Rolle untermauerte der Gast sogleich im
Mannschaftskreis vor dem Anpfiff. Kapitän Steinfeldt motivierte
seine Truppe in einer zumindest für mich noch nie dagewesenen
Lautstärke und forderte „sich für die harte Arbeit in der
Vorbereitung zu belohnen.“ Der prompte und wohl für alle
Beteiligten unerwartete frühe 0:2-Rückstand konterkarierte das
Vorhaben deutlich. Eine über die Maße bissige und aggressiv
pressende Verler Elf überrannte die Gäste nach allen Regeln der
Kunst. Ein unglückliches Eigentor nach einer Ecke (7.) und ein
von SCP-Keeper Kirsch leichtfertig vertändelter Ball (12.)
stellten früh die Weichen.
Was danach kam, ließ alle Zuschauenden
staunen. Der Preußen Nachwuchs konnte dem Power-Fußball der
Hausherren nichts entgegensetzen. Während man selbst kaum über
die Mittellinie kam, gelang der Verler Reserve fast alles.
Gerade als Münster sich etwas gefangen hatte, knallte Verls
Höftmann einen Ball unnachahmlich aus spitzestem Winkel ins
lange Eck (32.). Ein weiterer fahrlässiger Ballverlust (34.) und
ein traumhafter direkter Freistoß (40.) brachten die Treffer
vier und fünf. Die neben mir postierten mitgereisten Boomer aus
dem Münsterland trauten ihren Augen ebenso wenig, wie die
einheimischen Jungs neben mir. Die Teenager kommentierten das
Spiel mit einer gesunden Prise Humor, würdigten den bisher
bärenstarken Auftritt der Hausherren und sparten auch nicht an
Spott für den völlig überforderten Gegner. Im zweiten Durchgang
sparte Verl, in der noch immer stabil ballernden
Nachmittagssonne, Kräfte. Obwohl einige aussichtsreiche
Kontersituationen daher nicht ausgespielt wurden, gelangen zwei
weitere sehenswerte Treffer. Ich war begeistert von dieser
völlig unerwarteten Darbietung des Aufsteigers und bereute
sogleich meinen anfänglichen Zynismus. Ja, Verls U21 liefert und
begeistert!
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