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Ohne es zu wissen waren meine Tochter und
ich scheinbar innerhalb der Familie zu Wettobjekten geworden.
Wie lange würde es wohl dauern, bis Lynn zu ihrem ersten
Fußballspiel geschleppt werden würde? Die Über/Unter-Grenze, an
der man sich entscheiden musste, lag wohl bei 30 Tagen.
Schlussendlich dauerte es ganze 22 Tage und 22 Stunden, bis Lynn
zum ersten Mal Stadionluft schnupperte. Für ihr erstes Spiel,
ihren ersten Ground und ihren ersten Länderpunkt ging es
selbstverständlich nach Holland. Alex und ich konnten so zwei
Fliegen mit einer Klappe schlagen. Lynn und ihre Reisefähig- und
Freudigkeit konnten früh auf Herz und Nieren geprüft werden und
Papa konnte sich in der dritten niederländischen Liga nach vorne
kämpfen. Das auserwählte Ziel unserer Tour war dabei durchaus
attraktiv. Es ging ins idyllisch am Markermeer gelegene
Volendam, das für seine schicke Promenade und die traditionellen
Trachten bei Touristen außerordentlich beliebt ist. Bevor es an
den Sportplatz ging, schlenderten wir daher durch die schmucke
Gemeinde, aßen Pommes und Kibbeling und erfreuten uns an der
frischen Seeluft.
Nach dem kleinen touristischen Ausflug ging
es zurück in Richtung des städtischen Sportparks. Hier teilen
sich die beiden großen Klubs der Stadt ein großflächiges Gelände
in direkter Nachbarschaft. Das Stadion des Zweitligisten FC
Volendam war verwaist, da der Zweitligist an diesem Samstag im
für niederländische Verhältnisse weitentfernten Venlo gastierte.
Uns zog es stattdessen zum Platz des Drittligisten RKAV, der
sich 1977 als Amateurverein von den späteren Profis des FC
abspaltete. Beide Teams teilen sich weiterhin die Vereinsfarben
und den Hauptsponsor. Gar nicht amateurhaft präsentierte sich
die Anlage des Aufsteigers. Der Sportpark der „Rooms Katholieke
Amateur Voetbalvereniging“ ist sicherlich eine der schönsten
Anlagen der Tweede Divisie. Gegenüber der ausreichend großen
Sitzplatztribüne befindet sich auf der anderen Längsseite das
zweistöckige Funktionsgebäude, deren obere Etage das riesige
Vereinsheim samt Balkon umfasst. Hier konnten sich Alex und Lynn
entspannt niederlassen, während ich mich anfangs hinter der
Bande platzierte.
Auf dem künstlichen Geläuf ging es von
Beginn an ordentlich zur Sache. Nach dem Besuch bei der Reserve
des Almere City FC zum persönlichen Jahresauftakt, kannte ich
den forschen Start des heutigen Gastes bereits. Abermals legte
Almere ein irres Tempo vor und setzte die RKAV schnell mit ihrem
direkten und erstaunlich sicheren Angriffsspiel unter Druck.
Scheinbar litt die Konzentration der Hausherren früh unter dem
Almerer Power-Fußball. Anders ist es nicht zu erklären, dass
Volendams Keeper nach acht Minuten beim 0:1 kräftig mithalf und
sich einen Allerweltsschuss selbst ins Netz legte. In die Pause,
die wir zugleich für den obligatorischen Pausentee nutzten, ging
es mit einem für die Heimelf schmeichelhaften 0:2. Den zweiten
Durchgang konnte man getrost als wilde Achterbahnfahrt
bezeichnen. Volendam gab sich nicht auf, erzielte den
Anschlusstreffer und machte folgerichtig weiter Druck. Wie so
oft stellte der Gast in eben jener starken Phase des Gegners den
alten Vorsprung wieder her (79.). Eine Minute später machte der
erneute Anschlusstreffer den Hausherren wieder Hoffnung. Die
heiße Phase verpasste ich standesgemäß am Wickeltisch und nahm
die beiden abschließenden Treffer - je einer auf jeder Seite -
nur noch akustisch wahr. Die Freude über die erfolgreiche erste
Tour zu dritt überwog natürlich und die verpassten Tore bleiben
die Randnotiz. Sieben Tore zum Auftakt – nicht schlecht, Lynn!
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