|
Anlässlich seines 30. Geburtstags luden
Schtev, Eric und ich Mariano auf eine Tour nach Vilnius ein. Der
kurze Wochenendtrip, der am Samstagmorgen in Schönefeld starten
und am Sonntagabend in Tegel enden sollte, war nach einer
dreiwöchigen Balkanreise 2014 und einer Tour nach Dublin und
Belfast im März 2018 unser dritter Ausflug in der mittlerweile
erprobten Besatzung. Obwohl uns das warme Flughafenbier noch
flau im Magen lag, führten uns Hunger und Durst nach der Ankunft
in Litauen direkt in den erstbesten Imbiss am Bahnhof der
Hauptstadt Vilnius. Hier genossen wir neben dem dort ansässigen
ziemlich verlebten Pack je ein Frischgezapftes und einen
undefinierbaren Fettlappen zum Frühstück. Während unsere Mägen
sich abermals bedankten, zog es uns in die schöne Innenstadt.
Hier folgte das klassische Touri-Programm, das hier und da durch
kurze Bier-Stopps unterbrochen wurde. Den Abschluss machte ein
längerer Aufenthalt in einem Pub, wo wir beobachten konnten, wie
sich eine Gruppe übler Sportler in besoffenem Zustand
gegenseitig von den Barhockern trat. Wir hatten genug gesehen
und checkten im Hotel ein, ehe uns ein Uber wenig später zum
Nationalstadion fuhr. Die Planung der Tour sollte mir somit
keinen neuen Ground bringen, da ich dieses bereits im Herbst
2015 besuchte.
Auch damals war es der FK Trakai, der das
Stadion der Hauptstadt mangels einer eigenen Spielstätte als
Austragungsort seiner Erstligapartien nutzte. Immerhin gab es
mittlerweile ein echtes Kassenhäuschen anstatt des typisch
baltischen Kartenverkaufs aus dem Seitenfenster eines Opel
Vectra. Auch das stabile Sommerwetter war deutlich angenehmer
als der nasskalte Tag im Oktober vor vier Jahren. Somit
schmeckte auch das Bier besser, das wir während der folgenden 90
Minuten so häufig wie möglich frisch auffüllen sollten. Dabei
waren wir nicht die einzigen durstigen Deutschen auf der
gelb-rot bestuhlten Gegengerade. Knapp 30 Landsleute in
Kleingruppen wie unserer machten einen nicht unerheblichen
Anteil des spärlichen Zuschaueraufkommens auf. Da fragt man
sich, was die hübsche Dame am Bierstand wohl dachte, als sie
nahezu durchweg Bier für durstige Deutsche zapfen musste. Also
gab es anstatt des einheimischen Supports, an dem sich zumindest
eine Handvoll junger Trakai-Fans versuchte, biergeschwängerte
und dummdeutsche Kommentare auf den Rängen. Da wir auch nicht
mehr ganz, taten wir unser übriges und stimmten hier und da
ebenfalls in den Chor der „Der hat schon Gelb!“ und „Schiri, da
musst du die Spieler schützen!“ ein. Sportlich war das
Dargebotene nämlich die erwartete Magerkost.
Der FK Trakai, der seit einigen Jahren zu
den Spitzenteams der Liga gehört, hatte den FK Palanga von der
Ostseeküste zu Gast. Da die Gäste nach 17 Spieltagen nur maue
zehn Punkte auf dem Konto hatten und somit den letzten
Tabellenplatz belegten, erwarteten wir hier mindestens ein
einseitiges Schützenfest. Umso überraschter sahen wir, wie die
Gäste ordentlich mitspielten und sich ein Chancengleichgewicht
erarbeiteten. Trotz der vielen fußballerischen Mängel im
Aufbauspiel gab es hier nämlich reichlich Strafraumszenen hüben
wie drüben. Da sich die besagten Mängel jedoch auch im
Torabschluss zeigten, schüttelten die verwöhnten Deutschen
mehrfach mit den Köpfen, wenn mal wieder eine gute Möglichkeit
im Fangzaun landete. Lediglich Trakais ivorischer Stürmer Traore
hatte Erbarmen und besorgte kurz vor der Pause das 1:0 für die
Hausherren. Gekonnt freigespielt tauchte er alleine vor dem
Keeper auf und schob überlegt ein. Die Erinnerungen an die
gesamte zweite Halbzeit sind bei mir ziemlich verblasst. Die
Sonne und die Kaltgetränke taten ihr Übriges, sodass wir das
Stadion nach 90 Minuten per Uber in Richtung Alaus Biblioteka
verließen. Weitere Tore gab es nicht mehr zu bestaunen. Trotzdem
dürfte die Niederlage für die Gäste nicht allzu tragisch sein.
Mit dem FC Stumbras aus Kaunas, der mittlerweile nicht mehr am
Spielbetrieb teilnimmt, dürfte der erste und einzige Absteiger
bereits feststehen. Unser körperlicher Niedergang folgte indes
in den nächsten Stunden, in denen wir das Angebot der
umfangreichen Bierbibliothek verkosteten.
|
|