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111 Tage Pause. Eine schier undenkbare Zahl
für jemanden, der sonst ein bis zwei Fußballspiele pro Woche
besucht. Ich möchte jedoch nicht allzu weit ausholen, da die gut
dreimonatige Zeit der Einschränkungen und Entbehrungen nicht nur
mich, und mich auch mit Sicherheit nicht am härtesten, traf.
Daher der schnelle wechsel zum freudigen Ereignis, der ersten
Fußballtour seit dem Lockdown im März. Nach den ersten
Lockerungen sondierte ich den stark ausgebluteten Markt nach
Flügen in die wenigen Länder, in denen man trotz der Pandemie
vor Zuschauern kickte. So spielten beispielsweise die baltischen
Staaten mit mehr oder weniger nichtigen Einschränkungen. Ich
entschied mich für ein verlängertes Wochenende in Litauen, wo
man vor maximal 500 Anhängern spielen durfte. Da diese Marke
auch unter „normalen“ Voraussetzungen nur selten gerissen wurde,
waren die geplanten Spielbesuche eine sichere Bank. Freitags
ging es per Flieger nach Vilnius und später mit dem Mietwagen in
einem Ritt nach Klaipeda. Hier erwischte ich noch kurz vor knapp
den Sonnenuntergang über der Ostsee, ehe ich in jener am
darauffolgenden Morgen ein Bad nahm. Zur Mittagszeit erkundete
ich die - nicht wirklich aufregende – Stadt und machte mich
anschließend auf den Weg nach Kretinga.
In der gut 30 Minuten entfernten Kleinstadt
tat sich am frühen Abend die Möglichkeit für eine
Zweitliga-Partie in einem schmucken Stadion aus den 50er-Jahren
auf. Ich parkte direkt vor dem Ground, berappte zwei Euro
Eintritt und ließ anschließend meinen Blick schweifen. So sieht
also ein Fußballstadion „von innen“ aus. Dieses spezielle hatte
eine altehrwürdige Haupttribüne mit dem unübersehbaren
olympischen Leitspruch „schneller, höher, stärker“ unterm Dach,
eine abgedeckte Laufbahn, einen Basketball-Court, einen im Bau
befindlichen Kunstrasenplatz sowie eine ebenso halb fertig
gestellte Schwimmhalle zu bieten. Ich beobachtete das Treiben
indes von den verwitterten Holzbänken auf der Gegengerade.
Wenige Minuten vor dem Anpfiff ergoss sich ein Hitzegewitter
über der Region, vor dem ich nur mühsam einen spartanischen
Schutz fand. Pünktlich zum Spielbeginn zwischen den
ambitionierten Gästen des FA Siauliai und den im Tabellenkeller
verharrenden Gästen vom FK Minija war es zumindest wieder
trocken.
Vor gut 250 Zuschauern entwickelt sich in
der Anfangsphase ein ausgeglichenes Duell zwischen blau-weiß und
gelb-schwarz. An diesem recht ausgewogenen Kräfteverhältnis
konnte auch der frühe Nackenschlag für die Heimelf nach einem
Kopfball im Anschluss an einen Eckball nichts ändern – 0:1 (8.).
Nach 25 Minuten blieb ein kapitaler Abspielfehler des
Gästekeepers nach seiner anschließenden Rettungstat ungestraft,
sodass es trotz einiger weiterer Möglichkeiten auf beiden Seiten
mit der knappen Führung für Siauliai in die Pause ging. Auf den
Rängen tat sich auch im zweiten Durchgang nicht viel. Trotz
allerhand Freiheiten, die es den Zuschauern genehmigten
Fahrräder, Schwimmreifen, Luftmatratzen und Bierflaschen mit
aufs Gelände zu nehmen, war aus beiden Lagern lediglich
Szenenapplaus zu vernehmen. Die Gäste konnten trotz eines
durchaus engagierten Starts des FK Minija nach 65 Minuten ein
zweites Mal jubeln, als ein klug zurückgelegter Ball aus 11
Metern verwertet werden konnte. Mittlerweile regnete es wieder
kräftig, sodass ich den unverzüglichen Anschlusstreffer nach
einer Flanke-Kopfball-Kombi (68.), den vom Minija-Hüter
parierten Foulelfmeter (80.) sowie den umjubelten Ausgleich per
Direktschuss fünf Minuten vor Schluss mit kleineren
Sichteinschränkungen registrierte. Das war ein Fußballspiel. Vor
Ort. Mit Zuschauern. Toll!
Fotos
Sightseeing (Klaipeda)
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