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Fast zwei Monate nach Schalkes letztem Sieg
durfte ich meine Knappen wieder live erleben. Unter anderem zwei
verlängerte Wochenenden in London und Lissabon sowie unser
Jahresurlaub ließen mich insgesamt sieben Spiele verpassen. Eher
„verpassen“ – da der S04 diese Spiele allesamt verlor.
Dementsprechend tragisch steht es um meinen Klub, der noch im
Sommer so euphorisch den direkten Wiederaufstieg feierte.
Seither bekam der Kader ein neues Gesicht und den ersten
Trainerwechsel hat königsblau standesgemäß ebenfalls bereits
hinter sich gebracht. Immerhin machten die ersten Partien unter
Neu-Trainer Reis durchaus Hoffnung auf etwas bessere Zeiten.
Wollte der Tabellenletzte den Anschluss nicht komplett verlieren
und bereits vor der WM-Pause die Segel streichen müssen, musste
im Heimspiel gegen Mainz ein Sieg her. Da man das darauffolgende
Spiel gegen die Bayern verlieren würde, konnte man so immerhin
mit neun Punkten und in vermeintlicher Schlagdistanz zum
rettenden Ufer überwintern. Ehrlicherweise war ich in den
letzten Monaten ohne direktes Schalke-Erlebnis in Kombination
mit der Niederlagen-Serie bereits wieder auf
Corona-Geisterspiel-Niveau abgestumpft und musste meine
Emotionen dementsprechend aus einer der hinteren Gefühlsecken
kramen.
Andre und ich enterten die Nordkurve wenige
Minuten vor dem Anpfiff, sodass ich zumindest noch ins
Steigerlied einstimmen konnte. Die Kurve war gut gefüllt, jedoch
aufgrund des Wochentermins, des unattraktiven Gegners, der
sportlichen Situation und vielleicht auch der neuen
Zugangs-Politik mit Bändchen nicht so voll wie in den besseren
Zeiten vor der Pandemie und dem Absturz. Dieses Bild spiegelte
sich auch in der Arena wieder, die vor allem rund um den
Gästeblock viele freie Sitze offenbarte. Ich bin kein Freund des
FSV und wurde heute erneut in meiner Einstellung zum
selbsternannten Karnevalsverein bestätigt. Wenn keine 1.000
Anhänger nach ihrem Feierabend den Katzensprung aus der
rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt ins Ruhrgebiet auf sich
nehmen, liegen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Für
mich steht Mainz für schäbige Karnevalskultur und eine der
schwächsten Kurven der Liga im austauschbarsten
Bundesliga-Stadion der Republik. Insbesondere wenige Tage vor
dem 11.11. gilt: „Kein Fuß breit den Karnevalisten!“
Also „Helau“ und „Alaaf“ und ab dafür. Das
Spiel selbst benötigte wenig Anlaufzeit. Die Hausherren
vertrauten auf die zu erwartende Startformation und hatten von
Beginn an mehr vom Spiel. Die Gäste zeigten sich in allen
Mannschaftsteilen erschreckend schwach und kassierten bereits
nach 10 Minuten den Schalker Führungstreffer durch Terodde.
Dieser wurde erstens, gut durch Kral in Szene gesetzt und
zweitens, dilettantisch verteidigt. Der Jubel riss Andre und
mich dann gar zu Boden, doch die gewohnt brachiale Stimmung
blieb irgendwie aus. Da es keine Gegenwehr aus dem Gästeblock
gab, fiel dieser Umstand dem geneigten Beobachter vielleicht gar
nicht auf. Im restlichen Spielverlauf hatte königsblau die
besseren Möglichkeiten und ließ diese, inklusive der vier
Großchancen, ausnahmslos liegen. Die entsprechende Nervosität,
in der man durchweg auf den entscheidenden Bock der eigenen
Truppe wartete, war wohl der beste Erklärungsansatz für die
angezogene Handbremse der Kurve. Jene sollte sich erst nach
Bülters Pfostentreffer kurz vor Spielende lösen. Nun hielt es
niemanden mehr auf seinem Sitz und gemeinsam wurde auch die
sechsminütige Nachspielzeit ins Ziel gebracht. Dieser Sieg war
überlebenswichtig.
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