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FUSSBALLERISCHES BRACHLAND

In Deutschland gibt es nach offiziellen Zählungen 79 Großstädte. 79 Städte mit über 100.000 Einwohnern von Aachen bis Dresden und von Kiel bis Freiburg. In je einer ersten, zweiten und dritten Liga, fünf Regionalligen sowie zahlreichen Oberligen sollte im (semi-)professionellen Fußball genug Platz für Clubs aus diesen Städten sein. Trotzdem schaffen es die Vereine aus einigen Großstädten nicht, einen Oberligisten oder besser zu stellen. In einer kleinen, hoffentlich regelmäßig erscheinenden Serie, werde ich probieren diese Städte fußballerisch und auch neben dem Platz zu potraitieren. Städte die oftmals größer sind als Sinsheim, Wolfsburg oder Ingolstadt.

Kapitel 1 SZ - Kapitel 2 MO - Kapitel 3 RS - Kapitel 4 RE - Kapitel 5 BOT - Kapitel 6 HN (bis HN Stand '17)
Kapitel 7 NE - Kapitel 8 HD (NE & HD '18) - Kapitel 9 SG - Kapitel 10 MH (SG & MH '20)

Recklinghausen

Einwohner
114.330
Bundesland
Nordrhein-Westfalen
Nächster Proficlub
FC Schalke 04 (10 km)
1. Bundesliga
Bester Verein
SF Stuckenbusch
Bezirksliga Staffel 9 (8. Liga)
Größtes Stadion
Stadion Hohenhorst
10.000 Plätze
Sohn der Stadt
Martin Max *1968
(FC Schalke 04)

„Die Großen aus Dortmund und Gelsenkirchen reißen alles an sich“ beschweren sich die restlichen Ruhrgebietsclubs nicht erst seit kurzem. Neben den beiden Bundesligisten konnten lediglich der VfL Bochum, der MSV Duisburg und Rot-Weiß Oberhausen in den letzten Jahrzehnten zwischen Rhein und Ruhr „Profi-Luft“ schnuppern. Wenn es um den bezahlten Fußball geht, ist die größte Metropolregion Deutschlands nicht sonderlich durchlässig. Greifbar wird dieser Fakt auch in Recklinghausen. Die Stadt nördlich des Rhein-Herne-Kanals und südlich der Lippe ist nur einen Steinwurf vom Bundesligafußball im benachbarten Gelsenkirchen entfernt. Während der FC Schalke 04 am Berger Feld gegen Bayern und Hamburg spielt, kicken die beiden besten Teams aus Recklinghausen in der achtklassigen Bezirksliga Westfalen Staffel 9. Zumindest spielt mit den Sportfreunden Stuckenbusch eine der beiden Mannschaften um den Aufstieg.

Recklinghausens Hauptaugenmerk liegt derzeit auf zwei anderen Sportarten. Die Citybaskets gehen in der 2. Bundesliga Pro B auf Korbjagd. Was schon nach recht großem Sport klingt, ist in Wirklichkeit nur die dritte Liga im deutschen Basketball, in der sich der SSV Lok Bernau aus meiner Heimatstadt in diesem Jahr den Meistertitel der Nordstaffel sichern konnte. Mit einem eiförmigen Ball in den Händen kämpfen die Recklinghausen Chargers mittlerweile nur noch in der 5. Liga um Raumgewinn. Heimspielstätte der Footballer ist das Stadion Hohenhorst, das größte Stadion der Stadt. Hier liegt auch die Wiege des FC 96 Recklinghausen, der als 1. FC Recklinghausen zwischenzeitlich in der Oberliga spielte. Vor 20 Jahren meldete der Verein jedoch Konkurs an, nannte sich in FC 96 um, kletterte bis in die Westfalenliga nur um wenig später wieder in der Kreisliga zu landen.  

Martin Max begann seine Karriere 1992 beim einst so stolzen Post Recklinghausen. Zuvor hatte der gebürtige Pole in der oberschlesischen Heimat den ersten Kontakt mit dem runden Leder. In Recklinghausen wurde er zu einem der erfolgreichen, aber leider meist unterschätzten Stürmer ausgebildet. In jeweils mehreren Spielzeiten in Gladbach, auf Schalke und bei 1860 erzielte Max in knapp 300 Bundesligaspielen 126 Tore. Mit Gladbach gewann er den DFB-Pokal, mit Schalke den UEFA-Cup und in München schoss er sich 2000 und 2002 zur Torjägerkanone. Eine beeindruckende Bilanz, die ihm jedoch aufgrund der verminderten Zurechnungsfähigkeit des damaligen Bundestrainers Rudi Völler nur zu einem A-Länderspiel verhalf. Der gebürtige Recklinghäuser Werner Hansch sorgt bei mir mit seinem Kommentar des UEFA-Cup-Finals in Mailand noch immer für Gänsehaut. Als sich Max im Elfmeterschießen den Ball zurechtlegt kommentiert Hansch: „Martin, der Junge aus Recklinghausen“. Wenig später schoss der damals 28-Jährige das 3:1 für die Knappen.

Beide Akteure stammen aus einer Stadt, die sich selbst stolz als "Ruhrfestspielstadt" betitelt. Grund hierfür ist ein jährlich in Recklinghausen stattfindendes Theaterfestival. In dieser Kategorie suchen die Ruhrfestspiele in Europa seinesgleichen. Während des Kulturhauptstadtjahres 2010 spielte sogar John Malkovic auf der Bühne im Ruhrfestspielhaus. Nachdem es zu Beginn des neuen Jahrtausends rund um das Festival kriselte, trifft man mittlerweile wieder den Geschmack der Kulturliebhaber. Jährliche Motti thematisieren beispielsweise die Flüchtlingskrise oder die postfaktische Umgebung, in der sich unsere Welt derzeit befindet. Nichtsdestotrotz ziehe ich wohl weiterhin die verwitterte Holzbank dem gepolsterten Theatersessel vor.  

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