In Deutschland gibt es nach offiziellen Zählungen 79 Großstädte. 79
Städte mit über 100.000 Einwohnern von Aachen bis Dresden und von Kiel
bis Freiburg. In je einer ersten, zweiten und dritten Liga, fünf
Regionalligen sowie zahlreichen Oberligen sollte im
(semi-)professionellen Fußball genug Platz für Clubs aus diesen Städten
sein. Trotzdem schaffen es die Vereine aus einigen Großstädten nicht,
einen Oberligisten oder besser zu stellen. In einer kleinen, hoffentlich
regelmäßig erscheinenden Serie, werde
ich probieren diese Städte fußballerisch und auch neben dem Platz zu potraitieren. Städte die
oftmals größer sind als Sinsheim, Wolfsburg oder Ingolstadt.
Kapitel 1 SZ -
Kapitel 2 MO -
Kapitel 3 RS -
Kapitel 4 RE -
Kapitel 5 BOT -
Kapitel 6 HN (bis HN Stand '17)
Kapitel 7 NE -
Kapitel 8 HD (NE & HD '18) - Kapitel 9
SG - Kapitel 10 MH (SG & MH '20)
Solingen
Einwohner
|
159.360
|
Bundesland
|
Nordrhein-Westfalen |
Nächster Proficlub
|
Bayer 04 Leverkusen (20 km) 1.
Bundesliga
|
Bester Verein
|
VfB Solingen Landesliga Gruppe 1 (6. Liga)
|
Größtes Stadion
|
Walder Stadion 8.000 Plätze |
Sohn der Stadt
|
Christoph Kramer *1991 (Borussia
M'gladbach) |
Vor wenigen Tagen stolperte ich durch Zufall über das
sportliche Schicksal Solingens und erinnerte mich an
meine Brachland-Serie. YouTubes Algorithmus machte mich
erfolgreich auf eine Doku über den Untergang des
Feldhandballs aufmerksam. Der Beitrag führte den
Zuschauer ins Solingen der 60er Jahre. Mit dem BSV
Solingen stellte die bergische Großstadt 1965 den
Deutschen Meister in der damals vielbeachteten und
populären Sportart. Für die Überleitung vom fast
komplett ausgestorbenen Feldhandball zum Fußball nutze
ich das Walder Stadion. Das 8.000 Zuschauer fassende
Stadion erlebte neben den Heimspielen der „Oheios“
genannten Handballer sportliche Highlights im American
Football, im Rugby, in der Leichtathletik und eben im
Fußball. So gastierte vor dem 2. Weltkrieg der Glubb in
Solingen und spielte in einem freundschaftlichen Duell
gegen eine Stadtauswahl. Fußball wird in dem
mittlerweile 90-jährigen, größten Stadion der Stadt
nicht mehr gespielt.
|
Solingen war jedoch nicht immer fußballerisches
Brachland. Die stolze Stadt zwischen Wuppertal, Köln und
Düsseldorf hatte mit dem 1. FC Union einen langjährigen
Zweitligisten (1975-1989), der seine Heimspiele im
Stadion am Hermann-Löns-Weg austrug. Nach dem Abstieg
aus der zweiten Bundesliga meldete der Verein Insolvenz
an und wurde aufgelöst. So richtig kamen die Blau-Gelben
nicht mehr auf die Beine, kickten von nun an
unterklassig und auch der Nachfolgeverein meldete 2007
Insolvenz an. Der Status Quo ist ein Nachfolgestreit
zweier Clubs, deren Ambitionen weit entfernt von Glanz
und Gloria anzusiedeln sind. Die Geschichte der einst
18.000 Zuschauer fassenden Heimat der Unioner ist nicht
weniger tragisch. Das Stadion im Stadtteil Ohligs wurde
2018 komplett abgerissen und wich einem Wohngebiet, das
in einigen Monaten fertiggestellt werden soll. Der
derzeit erfolgreichste Solinger Klub, der VfB 1910, wird
im Sommer aller Voraussicht nach aus der sechstklassigen
Landesliga absteigen.
|
Es ist an der Zeit, den bisher recht traurigen, von
Auflösungen und Niedergängen geprägten Artikel und die
Stadt Solingen in ein besseres Licht zu rücken. Bleiben
wir sportlich und kommen zurück zum Handball. Heutzutage
ist es der Hallenhandball, in dem Solingen durchaus
Beachtung findet. Gemeinsam mit der Stadt Wuppertal
stellt man den etablierten Bundesligisten Bergischer HC.
Ebenfalls erstklassig und sogar meisterlich ist man im
Baseball. Die Alligators wurden 1991 gegründet und
konnten 2006 und 2014 zwei nationale Titel in die Stadt
holen. Ein kleiner thematischer Schnitt führt uns Weg
vom Sport und hin zum wichtigsten Gut der Stadt.
Solingen ist weltbekannt für seine
Schneidwarenindustrie. Messer mit dem Label Solingen
sind gut, begehrt und seit 1938 gesetzlich geschützt.
Die Stadt führt den Zusatz Klingenstadt im Namen und
verweist so auf seinen wichtigsten Industriezweig als
Heimat bekannter Firmen wie Zwilling oder Wüsthof. Den
Abschluss macht jedoch ein fußballerischer
Exportschlager aus Solingen.
|
Christoph Kramer kam 1991 in Solingen zur Welt und wurde
23 Jahre später in Rio Fußball-Weltmeister. Kramer
begann beim Stadtteilklub Gräfrath mit dem Kicken, ehe
er bereits ab dem achten Lebensjahr bei Bayer 04
Leverkusen ausgebildet wurde. Trotz der fußballerischen
Ausbildung bei der Werkself, blieb er seiner nahegelegen
Heimat verbunden, machte sein Abitur in Solingen und
absolvierte seinen Zivildienst beim örtlichen Sportbund.
Der langgewachsene Mittelfeldspieler wechselte 2016 nach
einigen Leihen endgültig von Bayer 04 nach
Mönchengladbach und ist heute eine feste Größe im
Mittelfeld der Fohlen. Nicht erst seit seiner legendären
Gehirnerschütterung im WM-Finale gegen Argentinien, die
ihn den Schiedsrichter mehrmals fragen ließ, ob dies
hier das WM-Finale sei, genießt er vereinsübergreifende
Sympathien. Auch ich kann Kramer bei aller Rivalität
nichts Negatives abgewinnen. Seit einigen Monaten nutzt
er seine Beliebtheit und schreibt eine Kolumne für die
11 Freunde. |
|
|